Running Happy

Wants to run the world

Auf legendären Trails bei den Canyons Endurance Runs in Auburn

von | Mai 24, 2022 | Allgemein, Laufjahr 2022, Reisen, Wettkämpfe | 0 Kommentare

Einmal zumindest Teile des legendären Western States 100 laufen, wenn auch in umgekehrter Richtung – das durfte ich neulich bei den Canyons Endurance Runs by UTMB mit Start im kalifornischen Auburn knapp 55 Kilometer lang. Mit vier Kilometer Einlaufen, aber dazu später.

Wir beginnen unsere Reise nach später Ankunft am Abend zuvor mit einem halben Tag in der kalifornischen Hauptstadt Sacramento. Besonders Old Sacramento interessiert uns: Die alten Holzhäuser, die Spuren der Goldgräber und der historischen Eisenbahnlinie versetzen uns in eine Westernstadt vor 150 Jahren. Das passt, den schließlich ist auch Auburn während des Goldrausches entstanden.

Unsere Fahrt nach Auburn später am Tag gestaltete sich dann schwieriger als erwartet. Mit dem Lyft zurück zum Flughafen, stehen wir eine gefühlte Ewigkeit in der Schlange der Autovermietung – um am Ende doch kein Auto zu bekommen. Die Firma mag die Kombination unserer Kreditkarte mit dem internationalen Führerschein nicht. Wir verstehen es nicht, hatten doch gerade noch in Los Angeles einen Wagen gemietet. Nützt aber nix. Kein Auto.

Die Fahrt nach Auburn funktioniert per Lyft noch gut und ist sogar günstiger als der Tagespreis für den Mietwagen. In Auburn ist die Lyft- und Uber-Dichte aber überschaubar, wie wir in den nächsten beiden Tagen lernen und das Lehrgeld sind viele Kilometer zu Fuß und im Laufschritt zwischen Auburn und unserem 4 Kilometer auswärts liegenden Motel. Genau richtig, wenn ein Ultralauf auf dem Programm steht…

Downtown Auburn

Wie auch immer, wir machen uns auf den Weg zur Startnummernausgabe in Downtown Auburn. Alles ist entspannt und nett, ohne die große Hektik am Tag vor einem Rennen. Auburn nennt sich selbst die „Endurance Capital of the World“, und dass die das ernst meinen, merken wir schnell daran, wie viele Outdoor-Geschäfte es in der doch sehr kleinen und überschaubaren Innenstadt gibt. Gut für uns, wir decken uns noch mit letzter fehlender Ausrüstung ein, eine Silikontasse für die Checkpoints unterwegs, Rettungsdecken und Salztabletten.

Die wunderbar organisierten Canyons Endurance Runs mit sagenhaft netten Helferinnen und Helfern am Start, auf der Strecke und im Ziel sind Teil der UTMB World Series, neben meiner 50 Kilometer-Distanz gehen die Läuferinnen und Läufer über 25 oder 100 Kilometer an den Start. Das Briefing ist entspannt. Es gibt so gut wie keine Pflichtausrüstung, einzig die Möglichkeit, einen Liter Wasser mit sich zu führen, ist vorgeschrieben, Wärmedecke wird empfohlen. Wir bekommen die wichtigsten Informationen zu den Checkpoints und Markierungen (bitte nur roten Markierungen folgen, blau bedeutet, diesen Trail nicht nehmen- dankenswerterweise brüllt jemand meine Eselsbrücke für den nächsten Tag: „Blue is bad!“), ansonsten sollen wir bitte viel Spaß haben. Ok, so machen wir das!

Wir erkunden auch hier die von den Goldgräberzeiten geprägte kleine Altstadt, schauen uns auf der Pre-Race-Party mit Liveband um und gehen noch italienisch essen. Danach versuchen wir, ein Auto zum Motel zu bekommen. Fehlanzeige. 20 Minuten später machen wir uns auf einen Fußweg, der dank Google Maps zwischendurch im Dunkeln am Rande einer wirklich breiten Straße ohne Bürgersteig entlangführt. Meine Laune ist – naja, mäßig. Wenn ich den Heimweg überlebe, wird es bestimmt ein tolles Rennen morgen, geht mir durch den Kopf.

Vier Kilometer einlaufen

Wir kommen an. Immerhin. Ich frage an der Rezeption nach der Möglichkeiten, für den nächsten Morgen um 5 Uhr ein Taxi zu bestellen. So wie früher. Der nette junge Mann an der Rezeption sucht aus einem Stapel Visitenkarten eine Handvoll heraus, gibt sie mir, wünscht mir viel Glück und sagt, er habe noch nie ein Taxi bestellt. Ich fühle mich plötzlich sehr alt. Alle Visitenkarten gehören zum selben Unternehmen, das aber nur Flughafenfahrten macht.

Während ich meine Ausrüstung zusammensuche und den Wecker auf 4 Uhr stelle, bereite ich mich mental darauf vor, vor meinem Ultratrail noch vier Kilometer im Stockdunkeln zu laufen. Zum Warmlaufen, ist bestimmt gesund.

Da die Apps am nächsten Morgen erwartungsgemäß kein Auto für uns finden, ziehen wir uns so warm wie möglich an, da es nur 5 Grad hat, und laufen los. Das Smartphone als Taschenlampe in der Hand. Der Rucksack mit den Wechselklamotten für nach dem Lauf baumelt über meinem Laufrucksack. Genau so hatte ich mir das alles vorgestellt.

Eine Viertelstunde vor meinem Start (Pascal läuft die 25 Kilometer und startet eine halbe Stunde später) kommen wir an, ich packe meinen Rucksack in ein Auto mit der Aufschrift „Finish 50 k Forest Hill“ und gehe in den Startblock. Ich bin nervös. Vor allem aber bin ich sehr froh, jetzt hier zu stehen und gleich loslaufen zu dürfen. Dann wird die US-amerikanische Hymne gesungen (wie vor allen größeren Rennen hier) und dann geht es los.

Eine Weile laufen wir durch den Ort, dann in den Wald, kurz darauf über eine Brücke, bevor es für lange Zeit auf die Trails geht.

Es ist zwar von Anfang an hell, aber nach einigen Kilometern laufen wir in einen spektakulären Sonnenaufgang. Es ist wunderschön. Unter uns im Canyon ist Nebel, darüber warmes Sonnenlicht. Ich mache die ersten Fotos. Mir bleibt nahezu die Luft weg, so atemberaubend sieht es hier jetzt aus.

Das Licht wirkt nahezu magisch und verändert sich ständig, der Trail leuchtet in immer anderen Nuancen.

Bergauf-Schwäche

Bis zur ersten Verpflegungsstation ist alles fein, bald danach ist zwar die Strecke wunderschön, aber es wird steil und zu meiner ohnehin vorhandenen Bergauf-Schwäche gesellt sich das nicht absolvierte Bergtraining. Ich leide ein wenig. Es ist ok, aber ich bin sehr, sehr langsam. Nun gut, ich lasse mir Zeit, freue mich auf den nächsten Downhill, der ja kommen wird. Irgendwann. Das Zeitlimit ist zehn Stunden, das muss ich ein bisschen im Blick behalten, alles andere ist egal hier und heute.

Bei Kilometer 25, wo Pascal gleich sein Ziel haben wird, ist für mich der zweite von drei Checkpoints. Ich unterhalte mich kurz mit einigen der so unfassbar netten Helfer, esse ein paar Chips, trinke eine Cola, nehme ein Gel, fülle meine Flaschen auf und trabe weiter. 15 Kilometer sind es bis zum nächsten Checkpoint und diese sind über weite Strecken gut laufbar. Zunächst geht es eine Weile bergab, immer mehr hinunter in Richtung Canyon, die Landschaft ist wunderschön.

Bald laufen wir in leichtem Auf und ab über wunderschöne, fluffige Trails, die Strecke ist toll. Ich denke daran, dass der Western States 100 hier herführt. Und ich darf hier heute auch laufen, was für ein Luxus! Ich beobachte ein ähnliches Phänomen wie neulich beim NoMan´s 50 k: Die zweite Hälfte des Rennens fällt mir leichter, der Kopf macht hier so viel aus: Der Gedanke, dass ich schon so weit gekommen bin, beflügelt mich.

Eine Enttäuschung bringt der Checkpoint bei Kilometer 40: Außer ein paar Gummibärchen gibt es nichts mehr zu essen. Alle 100-Kilometer- und viele der 50-Kilometerläufer sind hier schon durch und hatten offenbar Hunger. Großen Hunger. So wie ich jetzt. Ok, noch ein Gel und weiter geht es. Immerhin habe ich auf dem folgenden Abschnitt die Energie zu laufen und kann hier noch einige gehende Läufer überholen.

Endlose letzte Kilometer

Die letzten Kilometer ziehen sich dann allerdings endlos und das Ziel kommt bei Kilometer 50 nicht in Sicht, bei 51 und 52 und 53 auch nicht. Meine Waden mögen die Anstiege nicht mehr, immerhin teile ich das Elend mit einer netten Mitläuferin aus Oregon, die auch seit einiger Zeit ständig denkt, dass wir nach der nächsten Kurve und dem nächsten Anstieg aber wirklich da sein müssen. Ich habe Hunger, bin aber zu faul, meinen Notfallriegel aus dem Rucksack zu holen, ich will jetzt schließlich ankommen, und zwar bald!

Als der Trail mich ausspuckt und ich in Forest Hill auf die Straße laufe, habe ich schon 54 Kilometer auf der Uhr, bin aber immer noch nicht da. Dann endlich sehe ich in der Ferne den Zielbogen. Mühsam trabe ich weiter, denn es geht nun auch noch leicht bergan. Und dann – habe ich es geschafft, nach 8 Stunden und 36 Minuten bin ich da, bekomme meine Medaille und eine Kappe als Finishergeschenk. Knapp die Hälfte dieser Zeit hat übrigens der Sieger gebraucht, aber gut, Dakota Jones ist halt schneller als ich 😉 Hier sind die Ergebnisse.

Sofort nach der Ankunft ist die Welt wieder in Ordnung: Ich habe es geschafft, es war ein wunderschönes Rennen, und nun gibt es auch noch kalte Getränke und einen Burrito. Ein Traum! Kurz nach meinem Zieleinlauf fährt ein Shuttlebus zurück nach Auburn. Zufrieden sitze ich im Bus, esse meinen Burrito und schaue in die Landschaft.

Finisher-Bier in Auburn

In Downtown Auburn treffe ich Pascal, der seine 25 Kilometer vor Stunden erfolgreich beendet hat und sogar schon im Motel duschen war. Für mich müssen nun angesichts der Auto-Problematik frische Klamotten reichen für den Moment. Wir setzen uns auf die Terrasse eines schönen Cafés in der Altstadt, trinken ein Bier. Durch meine Kappe und die Medaille kommen wir schon bald mit Leuten ins Gespräch. Der Bruder des Café-Besitzers baut gerade alles auf für ein Bier-Tasting-Event einer lokalen Brauerei. Wir probieren all die Biere gerne aus, werden außerdem allen möglichen Leuten (vielen mit Cowboyhut, denn am selben Wochenende gab es auch ein Rodeo-Festival in Auburn) als „our friends from Germany“ vorgestellt und die Info, dass ich heute die 50 Kilometer gelaufen bin, fehlt auch nie. Meine Lieblingsreaktion kommt von einer Frau mit Cowboyhut: „You´re badass!“ Yeah.

Ich mag Auburn. Sehr. Wir hatten tolle Tage hier und ich hoffe sehr, dass wir wiederkommen. Am nächsten Tag fahren wir noch für ein paar, ebenfalls ganz wunderbare, Tage nach San Francisco. Die Stadt wäre nun einen eigenen Artikel wert, nur so viel sei hier verraten: San Francisco meint es ernst mit seinen Hügeln, es geht rauf und runter, steil und ständig. In den Tagen nach einem bergigen Ultralauf mit dem dazu gehörenden Muskelkater tut das weh. Aber jeder schmerzende Schritt hat sich gelohnt, jeder einzelne. Jeder. Einzelne. Schmerzende. Schritt!

Ich danke der UTMB World Series für den Startplatz. Es war mir ein Fest!

Fotos: privat, Finisherpics.

Das bin ich

Dr. Andrea Löw, Historikerin und leidenschaftliche Läuferin. Hier nehme ich euch auf meine Laufabenteuer und Reisen mit.

HAPPY RUNNING – mein Buch

Mein nächstes Ziel

Auszeichnungen

Running Happy in 2023

Malta Marathon
EcoTrail Paris 45 km
Paris Marathon
Two Oceans Marathon Kapstadt
Hamburg Marathon
Cape Wrath Ultra: 400 km
Ultra X Jordan: 230 km