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Faszination Ultratrail – Tipps für Einsteiger

von | Jan 15, 2016 | Allgemein | 2 Kommentare

Kann es etwas schöneres geben, als durch wunderschöne Landschaften zu laufen, auf traumhaften Trails die Welt zu entdecken? Nicht viel, richtig? Möchtest Du vielleicht in 2016 zum ersten Mal so richtig, richtig lang laufen?

Bestimmt bist Du irgendwann vom Trailrunning so infiziert, dass Du immer länger, immer weiter laufen möchtest. Ich konnte mir noch vor gar nicht allzu langer Zeit nicht vorstellen, dass ich irgendwann einmal weiter als einen Marathon laufen würde. 2013 bin ich dann meinen ersten Ultratrail gelaufen, 2014 war ich beim Zugspitz Supertrail X über knapp 80 Kilometer (und gut 4000 Höhenmeter im Aufstieg) am Start und 2015 wagte ich mich auf Menorca an meinen ersten 100-Kilometer-Lauf. Manchmal kommt eben alles anders als man denkt.

Es ist doch so: Du merkst, wie viel es Dir gibt, in der Natur unterwegs zu sein. Die ersten Wettkämpfe waren anstrengend, aber auch sehr erfüllend und kaum war das Glücksgefühl im Ziel je größer. Und plötzlich ist es da, dieses Gefühl: Du willst mehr, stellst Dir die Frage, ob Du nicht doch noch etwas weiter und höher laufen könntest.

Und dann ist es passiert, die Anmeldung zum ersten Ultralauf. Die Trainingsumfänge müssen weiter gesteigert werden. Es ist nahezu unglaublich, wie anpassungsfähig der menschliche Körper ist und wie gut wir ihn trainieren können. Der Mensch ist zum Laufen gemacht und mit entsprechendem Training können viele von uns ihre Laufumfänge ganz bemerkenswert steigern. Das große Erfolgserlebnis liegt darin, über sich hinauszuwachsen, zu sehen, dass man das schier Unmögliche erreichen kann, wenn man bereit ist, die Komfortzone zu verlassen. Und Du wirst merken, wie stolz Dich das macht.

Im Grunde ist doch das ganze Leben ein Ultratrail, und zwar durchaus einer mit einem ziemlich ausgeprägten Höhenprofil. Mit viel Auf und Ab finden wir unseren eigenen Pfad. Wir brauchen Ausdauer und Geduld, vieles können wir nicht auf Anhieb, sondern müssen es erst üben und trainieren, brauchen Zeit und einen langen Atem. Und so wirst Du aus Deinen langen Läufen auch immer etwas für Dein sonstiges Leben mitnehmen, immer etwas dazulernen: Vor allem über Dich selbst, über Deine Stärken und Schwächen, darüber, wozu Du in der Lage bist. Und nur wer auch mal an seine Grenzen geht, kann diese verschieben.

Kampf mit Dir selbst

Ein solcher Ultralauf ist ungeheuer intensiv, eine immense körperliche, aber auch mentale Anstrengung. Du merkst im Laufe des Ultratrails vielleicht irgendwann, dass Du hier nicht gegen andere angetreten bist, sondern zum Kampf mit Dir selbst.

Ein Ultratrail erfordert in hohem Maße innere Motivation, Du solltest brennen, das Ganze unbedingt wollen und mit Leidenschaft und Begeisterung angehen. Stell Dich darauf ein, dass Du möglicherweise über weite Strecken ganz allein unterwegs bist. Je nach Länge des Laufes durchlebst Du sehr wahrscheinlich eine oder mehrere Krisen. Es fängt an, weh zu tun. Vielleicht bekommst Du Magenprobleme. Die Frage, warum Du Dir das antust, kommt sicher irgendwann. Oder noch grundsätzlicher die Frage danach, warum Du überhaupt läufst.

Jetzt wird das Rennen vor allem in Deinem Kopf entschieden. Am besten hast Du Dir schon vorher mentale Strategien für diese Krisen überlegt. Es hilft ungemein, auf solche Momente vorbereitet zu sein und zu wissen, was man jetzt denkt, wie man damit umgeht. Denn unweigerlich kommt im Ultralauf der Moment, an dem es darauf ankommt, dass der Kopf, dass der Wille so stark ist, dass er sich gegen einen Körper durchsetzt, dem langsam die Kräfte schwinden.

Wenn Du jetzt schon genau weißt, in welche Situation Du Dich hineinversetzen kannst, um Dich abzulenken, aber auch, um Dich wieder stark zu fühlen, hilft das ungemein. Positive Erfahrungen, die Du abrufen kannst, machen es Dir leichter, etwa Zieleinläufe aus der Vergangenheit und das damit verbundene extreme Glücksgefühl. Visualisiere auch gern den Zieleinlauf des Rennens, in dessen schwersten Phase Du gerade steckst und gib Dir damit ein Gefühl der Gewissheit, dass Du es schaffst. Viele Läufer haben auch eine Art Mantra, meist auf das Laufen bezogen, das sie sich wieder und wieder sagen, und schon dieses Gleichmäßige, Ruhige nimmt Ihnen die Panik. Vielleicht hilft es Dir auch, Selbstgespräche zu führen, wie der Extremsportler Norman Bücher dies macht:

„Ich rede bei langen Läufen ständig mit mir selbst. […] Während eines Wettkampfes rede ich mir immer wieder positiv zu: ‚Du schaffst es‘ oder ‚Das ist dein Lauf, Norman.‘ Dabei stelle ich mir vor, wie ich den Lauf erfolgreich beenden werde. Danach fühle ich mich in der Tat besser und energiegeladener als zuvor.“ (Norman Bücher, Extrem. Die Macht des Willens, Wien: Goldegg Verlag 2011, S. 204 f.)

Negative Gedanken sind jetzt jedenfalls kontraproduktiv, denke immer an das bereits Erreichte und nicht daran, was jetzt noch vor Dir liegt. Und vergiss nicht: Den anderen im Rennen geht es auch nicht besser, jeder durchlebt Krisen während eines Ultralaufs, es kommt nur darauf an, wie Du damit umgehst.

Der momentan wohl beste, vielseitigste und erfolgreichste Ultratrailläufer, der Spanier Kilian Jornet, gewinnt nahezu jedes Rennen, bei dem er an den Start geht. Und er geht bei vielen Rennen an den Start, bei sehr vielen. Aber er sagt:

Gewinnen heißt nicht, an erster Position zu stehen oder die anderen zu besiegen. Gewinnen heißt, sich selbst zu besiegen; wenn wir uns gegen unseren Körper behaupten, gegen unsere Grenzen, gegen unsere Ängste. Gewinnen heißt, sich selbst zu übertreffen und seine kühnsten Träume Realität werden zu lassen.

Und weiter:

„Ich habe Menschen gesehen, die ins Ziel einliefen, als die ersten Gegner schon geduscht, etwas gegessen und vielleicht sogar ein kleines Nickerchen gemacht hatten, und sich dennoch als Sieger fühlten und auf dieses Gefühl um keinen Preis verzichten wollten. […] Der Maßstab ist nicht das Zielband, sondern es sind unsere Träume. Der Sieg besteht darin, dass wir sowohl körperlich als auch geistig unsere Grenzen überschritten haben, um uns neue Grenzen zu stecken.“ (Kilian Jornet, Lauf oder stirb. Das Leben eines bedingungslosen Läufers, München: malik/Piper Verlag 2013, S. 54 f.)

Auch Ultra-Legende Scott Jurek betont, was jeder, der bei einem Ultralauf das Ziel erreicht, geleistet hat, körperlich und mental. Er ist nach seinen Siegen häufig noch stundenlang im Schlafsack an der Ziellinie geblieben, um allen zuzujubeln und sagt darüber:

„Es gibt viele Leute, die nie in ihrem Leben irgendetwas Großartiges zuwege bringen, denn sie versuchen es nicht einmal. Jeder Einzelne, der hier über die Ziellinie kam, hatte es nicht nur versucht, sondern auch tatsächlich Großes geleistet. Indem ich dort blieb und die Läufer grüßte, würdigte ich ihre Leistung, aber auch all die Schmerzen, Zweifel, die Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit, die sie besiegt hatten.“ (Scott Jurek, Eat & Run. Mein ungewöhnlicher Weg als veganer Ultramarathon-Läufer an die Weltspitze, München: Südwest Verlag 2014, S. 141)

Ein Ultratrail ist eine sehr emotionale Angelegenheit. Du hast extrem viel Zeit und Energie in die Vorbereitung investiert, der Lauf hat schon eine große Bedeutung, bevor er überhaupt losgeht. Dann durchlebst Du vermutlich während des Laufs viele Emotionen, von purer Glückseligkeit und Euphorie bis hin zu absoluten Tiefpunkten. Wenn Du dieses Abenteuer meisterst und finisht, ist das ein unglaubliches Gefühl. Da fließen auch mal Tränen.

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Im Ziel nach 100 Kilometern auf Menorca

Bei aller Begeisterung: Steigere Deine Laufumfänge behutsam, lass Dir Zeit! Von der Ausdauer her sind große Umfangssteigerungen meist kein Problem, doch die Bänder und Gelenke brauchen Zeit, sich daran zu gewöhnen. Riskiere nicht, Deinen Körper zu schnell zu überfordern. Verschieb Deine Grenzen also langsam, es muss nicht gleich ein 100-Kilometer-Lauf sein!

Mit der Steigerung der Laufumfänge muss auch ein gewissenhaftes Kraft- und Stabilisationstraining einhergehen. Schütze Deinen Körper, der nun viel leisten muss, außerdem durch eine ausgewogene und gesunde Ernährung und ausreichende Regeneration.

Such Dir außerdem Deinen ersten Ultratrail mit Bedacht aus und überlege nicht nur, wie viele Kilometer Du schaffst, sondern achte auf die zu absolvierenden Höhenmeter, die Streckenbeschaffenheit und auch auf die zu erwartenden klimatischen Bedingungen. Wenn Du Laufen bei Hitze noch nie besonders gut vertragen hast, sollte Deiner erster Ultratrail nicht mitten im Sommer in Südeuropa stattfinden!

Keine Sorge, auch mit diesen Einschränkungen: Es gibt so viele wunderbare Ultratrails – such Dir etwas tolles aus und genieß die Vorfreude! Hast Du schon ein Ziel für dieses Jahr?

Nächste Woche gibt es an dieser Stelle noch einige praktische Tipps.

Noch viel mehr Tipps rund um das Thema Offroad findet Ihr außerdem in dem Buch von Andreas Butz und mir, dem dieser Text in überarbeiteter Form entnommen ist:

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Das bin ich

Dr. Andrea Löw, Historikerin und leidenschaftliche Läuferin. Hier nehme ich euch auf meine Laufabenteuer und Reisen mit.

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Auszeichnungen

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Ultra X Jordan: 230 km